Gegen 13 Uhr erreichte unsere Gruppe Blau über die Lommatzscher Straße die Kreuzung mit der Friedrich-List-Straße. Die Friedrich-List-Straße war durch die Polizei blockiert, uns wurde der weitere Weg Richtung WT-Arena und zu den angemeldeten Demonstrationen versperrt. Die Polizei überholte uns einerseits links und blockierte die Straße Richtung Bahnhof. Andererseits wurden wir auf der rechten Seite von der Polizei mit Schubsern und u.a. Faustschlägen ins Gesicht direkt angegriffen. Sie versuchten, sich zwischen uns und den Zaun zu drängen, was ihnen misslang, da dort viele Demonstrierende standen. Es war nicht ersichtlich, weswegen die Polizei hier so massive Gewalt eingesetzt hat, es gab auch keinerlei Aufforderungen der Polizei an uns. Die beteiligten Polizeieinheiten waren aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Die Ablenkung wurde anscheinend genutzt, um uns den Rückweg über die Lommatzesche Strasse mit Hamburger Gittern zu versperren.
Über die Friedrich-List-Straße aus Richtung Bahnhof kam der goldene Finger und vereinigte sich mit uns, da die Polizei mit nur wenigen Kräften diese Straße blockierte. Dabei waren auch Mitglieder der Gruppe Bunt. Danach wurden wir von drei Seiten gekesselt, wobei es immer wieder zu vereinzelter Gewalt von Seiten der Polizei kam. Weitere Verstärkung der Polizei wurde aus Richtung des Bahnhofs herangezogen. An den folgenden Aktionen waren auch Polizist:innen aus Thüringen beteiligt.
Von unserer Seite wurde in den folgenden Minuten ein Demonstrationszug Richtung Bahnhof angemeldet, da die Polizei eine massive Drohkulisse aufbaute. Gegen 13:30 Uhr (Angabe der Polizei war 13:20 Uhr) sprach sie die erste Verwarnung und einen Platzverweis aus und drohte, uns mit Gewalt zu räumen. Die Anweisung lautete, dass die Versammlung sich in Richtung Bahnhof auflösen solle. Die zweite Verwarnung der Polizei ertönte maximal fünf Minuten später mit der Zeitangabe „13:32 Uhr“. Diese wurde von uns überprüft und war korrekt. Maximal fünf Minuten später ertönte die dritte Verwarnung. Einige von uns verließen die Kreuzung Richtung Bahnhof. Unmittelbar nach der dritten Verwarnung kam es zur Räumung: die Demonstrierenden wurden mit massivster Polizeigewalt aus zwei Seiten auf der Kreuzung Richtung Straße so stark zusammengedrängt, dass bei einigen Luftnot auftrat. Danach wurden wir grob gegen Autos, Zäune, Dornensträucher, Laternen und geparkte Polizeiautos Richtung Bahnhof geschoben und gedrückt. Viele wurden von vorne und hinten mit Knien und Stiefeln gegen Schienenbein, Waden, Kniekehlen und Hintern getreten, obwohl wir uns selbstständig bewegten. Einige stürzten, doch wurden die Nachfolgenden weiter auf sie geschubst. Auch auf Verletzte wurde keine Rücksicht genommen, Schreie und Rufe nach Sanitäter:innen wurden ignoriert und mit noch mehr Gewalt beantwortet. Einige Polizisten feixten und stachelten sich gegenseitig an.
Wir, eine geringe zweistellige Anzahl Personen, wurden durch eine geschlossene Polizeikette von der Mehrheit der Demonstrierenden getrennt und zwischen Polizeiautos und Zaun in Einserkette nach vorne und gegen den Zaun geschubst. Widerspruch von uns, dass wir auch selbst nach vorne gehen und nicht schneller können, wurden mehrmals mit noch stärkerem Schubsen und verbalen Demütigungen und Drohungen beantwortet. Generell war die Situation sehr chaotisch und wir wurden ständig angebrüllt. Eine Polizistin (32/12, Helmsymbol links gelb, rechts grün) brüllte: “Euch geht’s [doch/noch] zu gut!“ während sie einen Nachzügler schubst. Auch Demonstrierenden, die keine Gegenwehr leisteten, wurden an Hinterkopf und Nacken gegriffen und daran vorwärts gestoßen. Eine offensichtlich hinkende Person mit zwei Stützen wurde physisch und verbal drangsaliert. Auch hier wirkten viele Polizisten, z.B. durch ihre stierenden, weit aufgerissenen Augen, als befänden sie sich in einer Art Rauschzustand. Sie genossen es geradezu, uns sinnlose Gewalt anzutun.
Ab etwa der Hälfte des Weges ließ die Polizeigewalt etwas nach, vereinzelt wurde noch Pfefferspray eingesetzt.
Wir haben die gesamte Situation als extreme Gewalterfahrung wahrgenommen. Besonders schlimm für uns war der Eindruck, nicht als Menschen wahrgenommen, sondern wie Vieh Richtung Bahnhof getrieben zu werden. Auch die massive Gewalt selbst nach Räumung der Kreuzung, als wir uns schon zum Bahnhof zurückziehen wollten, war erschütternd. Das Schlimmste für einige von uns war jedoch zu sehen, wie sehr die Polizist:innen es offenbar genossen, Gewalt anzuwenden. Sie taten es offenbar sehr gerne und wie im Rausch und benahmen sich wie empathielose Gewalttäter in Uniform, für die körperliche Übergriffe nicht mehr nur Mittel zum Zweck, sondern der Zweck an sich ist.
Angesichts des Ausmaßes und der Art der Gewalt wird deutlich, dass diese Brutalität gegen Demonstrierende aus der demokratischen Zivilgesellschaft in der Polizei strukturell verankert ist und entweder ignoriert oder sogar gutgeheißen und geübt wird.
Wir fordern von der Politik, sich klar von solcher Polizeigewalt zu distanzieren und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Da wir auch Opfer von Thüringer Polizist:innen wurden, erwarten wir vom Thüringer Innenminister Georg Maier eine öffentliche Entschuldigung, den Willen zur Aufklärung und die Bereitschaft, solche (vermutlich geplante) Polizeigewalt in Zukunft im Vorfeld zu untersagen. Für uns, die das alles erlebt haben, ist das Vertrauen in die Polizei zerstört. Wenn diese sich nicht als staatliches Repressionsorgan im Dienste der AfD etablieren möchte, sollte sie an ihrem Auftreten und ihrem Umgang mit demokratischen Protestierenden etwas ändern und die verantwortlichen Polizeivertreter:innen sollten sich öffentlich entschuldigen.
Eine ergänzende Perspektive dazu findet sich hier: https://www.tagesschau.de/inland/regional/sachsen/mdr-auf-heimweg-aus-riesa-panik-verzweiflung-menschen-schieben-um-attacken-der-polizei-zu-entgehen-100.html
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